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Malta

Tagebuchauszüge, sprachlich leicht zusammengefasst.

14.05.1995: Angekommen in einer anderen Welt, die Maschine war schon geschlossen, ein Flughafen ist kein S-Bahnhof, sie wurde extra für mich geöffnet (heute undenkbar), ein flüchtiger Kuss und wir hoben ab. Am Flughafen sehr nett in Empfang genommen und auf die Gastfamilien verteilt, meine Gastfamilie ist sehr laut und sehr gastfreundlich, mein Englisch reicht gerade so, nicke zu oft an Stellen, die ich nicht zu 100% verstehe, muss mehr Mut haben, Fragen zu stellen. Nach dem Abendbrot ans Meer, dieser Anblick, die Wellen! Wunderbare Häuser, schon sehr afrikanisch, Schlangen vor den Diskotheken wie im Café Nord 1988.

15.05.1995: Wir haben im Kurs zwei Lehrer:innen: Alexia und Calvin, Alexia hat ein schwarze Haare, braune Augen und ein wundervolles Lächeln, sie erwartet ein Baby. Calvin ist ein entspannter, lustiger Typ, wir lachen viel im Kurs. Die Stadt ist sehr schön, Häuser reihen sich endlos, Zeit fließt weg. Am Abend ins Kino: Forrest Gump – die berühmte Pralinenbox des Lebens!

16.05.1995: Der Kurs macht riesigen Spaß, grammatikalisch genau mein Niveau, Konversationsmäßig müsste ich eigentlich höher wechseln, aber es ist schon OK. Nachmittags: Tauchkurs Anfänger, Simon ist mein Tauchlehrer, Zeichensprache lernen, anziehen, ab ins Wasser! Zuerst die Treppe hinab und nur den Kopf ins Wasser halten, obwohl alle erklärt haben, dass man nur ruhig weiter atmen soll, atmet man beim ersten Mal wie ein Hund nach mehrstündiger Katzenjagd. Nach einiger Zeit beruhige ich mich. Im Wasser, 5m tief hat man mit sich selbst zu tun, ruhig atmen, ruhig bleiben, entspannen. Dann kann man auch die Augen öffnen für all die Schönheit. Felsen, Seegras, Fische. Ausgeliefert dem Medium.

17.05.1995: Schule ist ja auch! Mit Anke aus Leipzig zur Schule gefahren, sie will Stewardess werden. Dann wieder Tauchkurs, finanziell eigentlich unerschwinglich. Tauchspot :Marfa Point, traumhafte Sicht, 18m geht es runter an einem riesigen Felsen, tiefstes Blau, welches ich jemals sah. Übung: Atemgerät rein – raus – Check! Plötzlich hört der Felsen auf, sprachlos der Blick in den schwarzen Abgrund. Übung: Brille runter – rauf – versagt! Ich bekomme das Wasser nicht aus der Brille und Panik, schwimme an die Oberfläche. Dafür aber einen Oktopus beobachtet, der flüchtet vor uns mit Tinte als Nebelbombe.

18.05.1995: Schule, der Unterricht nimmt teilweise groteske Formen an, wir kommen aus dem Lachen nicht heraus, wenn Pierro, unser Italiener, sein Späße reißt, jeden englisch begonnenen Satz beendet er auf italienisch, Nachmittags in der Konversationsstunde sitzen wir im Café, ein tolle Truppe, aber der Tauchkurs ruft. Heute nur Übungen in der St. Pauls Bay, die Brillenkorrektur klappt langsam. Die Tage sind ausgefüllt, Abends falle ich müde ins Bett.

19.05.1995: Tauchen ist wundervoll, man mag nicht mehr auftauchen, die Welt voller Farben, die Gefahr allgegenwärtig, wir sind für dieses Medium nicht geschaffen. Wir tauchen in ein dunkles Fenster, dass Licht so schön sein kann! Korallen spiegeln sich im Wasser, alles losgelöst, Fisch zu sein bedarf es wenig! Die Zeit vergeht ohne Widerstand, der Weg öffnet sich schwerelos, bis … die Luft zu Ende geht.

20.05.1995: Samstag, Versuch des Ausschlafens, Fehlversuch, Frühstück und mit dem Fahrrad in Richtung „Peter’s Pool“, es ist anstrengend, zu heiß, zu viele Hügel, „Peter’s Pool“ entschädigt für 2 Stunden Qual, eine Felsbucht mit vielfarbigem, klaren Wasser. Ich kann alles sehen – bis auf den Grund. Der Pool öffnet sich zum Meer. Es ist schon verrückt, alleine mit dem Fahrrad über die Insel zu fahren, die Gegend gleicht sich, Städte verschmelzen, Staub, Hitze, ich fühle mich wie in einem Bratofen, keine Chance zu entrinnen.

22.05.1995: Montag, neue Woche, neue Klasse, ich bin der einzige „Ossi“, Abend ins Kino, „Discloser“, aber ich verstehe nicht viel, danach noch Wein trinken mit Mandy, Theo 1, Petra und Claudia, 1:30 Uhr im Bett, habe Karls Geburtstag vergessen.

23.05.1995: die Schule langweilt mich, bin jetzt Nachmittags / Abends oft bei Calvin, wir rauchen lecker Zeug, welches uns ewiges Grinsen zaubert, Calvin hat ein einfaches Lebensmotto: Spaß haben, Stress vermeiden, nette Mädchen treffen, immer einen tollen Joint. Temporär sicherlich die beste Einstellung, ob das für immer reicht, weiß man vorher nicht. Abends ziehen wir durch die Bars und ich muss unseren braven Mädels, Calvin „unter-der-Gürtellinie-Sprüche“ übersetzen 🤪.

25.05.1995: die Tagebucheinträge werden weniger, ich habe heute meinen Tauchschein bekommen. Hurra! Ich spreche ohne nachzudenken englisch. Mit Christine Ausflug nach Gozo, so wunderbar diese kleine Nachbarin, Victoria-Zitadelle, Strand, Hafen, alles viel ruhiger als auf der Hauptinsel.

Nach dem Kurs wollte ich eigentlich noch zwei Wochen bleiben, die Sehnsucht treibt mich aber eine Woche eher zurück. Mit meiner Gastfamilie habe ich gar nicht viel gemacht, die waren mit ihren zwei Halbwüchsigen mehr als beschäftigt.