Sprachkurs in Odessa! HomeOffice macht plötzlich vieles möglich. Was würde meine alte Russischlehrerin staunen und wie gerne würde ich ihr mitteilen, wie schlecht der Unterricht früher war, aber wahrscheinlich war ich einfach nur faul.
Aber vergangene Geschichten ruhen. все есть, как есть! Und die Gegenwart zählt. Wegen Corona gibt es nur zwei Studenten, Anton aus der Schweiz und mich, wir bekommen Einzelunterricht und ich habe mit Hanna als Lehrerin einen großen Glücksgriff gezogen. Wir sind uns gleich sympathisch und es macht wirklich Spaß über Musik, Lyrik, Politik und das Leben zu reden.
Euphorisch hatte ich eine Unterkunft bei einer Gastfamilie gebucht. Mein Wunsch war, irgendwie mittendrin zu sein, mitzulaufen, Kontakte zu bekommen, aufgenommen zu werden. Als Ergebnis war ich zwei Nächte bei einer älteren Dame, die an mir keinerlei Interesse zeigte, grausiges Frühstück zubereitete und der nur wichtig war, dass ich die Schuhe ausgezogen hatte und rechtzeitig bezahlte. Da das Bett eine alte Couch war, dachte ich, dafür bin ich jetzt wirklich zu alt und flüchtete schnell. Jetzt habe ich ein kleines Apartment für mich allein, sehr zentral am Aleksandrovski Prospekt, keine 10 Minuten Fußweg zur Schule.
Der Kurs ist recht fordernd, ich bin es gar nicht mehr gewohnt, mich 4, 5 Stunden am Stück zu konzentrieren und dann noch in einer Fremdsprache. Schnell werden mir meine Defizite aufgezeigt, aber auf diese positive, anspornende Art.
Nach dem Kurs falle ich in tiefe Löcher, eile Ziellos durch Straßen, nach der Intensität zu Zweit kommt Einsamkeit bei der Betrachtung des geschäftigen Alltags. Sitze in Kaffes, mache fleißig Hausaufgaben und versuche anzukommen. Das gelingt erst wirklich, als klar wird, dass man ja nicht jede Sekunde mit Leben füllen muss, es reicht auch mal aus, nur dazusitzen und das Leben an sich vorbeiziehen zu lassen.
Odessa ist voller Menschen, Corona gibt es hier nicht, nur im Supermarkt trägt man Maske, die kleinen Marschrutkas sind voll wie immer. Schon zu Hause habe ich Karten für die Oper gekauft, jeweils Verdi – einmal der Troubadour, einmal Aida. Als kulturelles Kontrastprogramm gibt es am 16.8. Ani Lorak 😉
Gelaufen durch diese Stadt bin ich schon mehr als 40km und gesehen habe ich eigentlich nichts. Trotzdem fühle ich mich zu Hause.
Morgen geht es einen Tag an den Strand, bevor am Sonntag der erste Opernbesuch ansteht.
Odessa, den 13.08.2021